Socialbar 2012 zur documenta

Parallel zur dOCUMENTA13 wurde die 1. Social Bar in Kassel an Bord des Import/Export Schiffes durchgeführt. Organisiert von Philip Ebel, Elisa Steltner und Nadja Ruby trafen sich Initiativen und Projektinitiatoren der Region Kassel um sich auszutauschen und ihre Erfahrungen mit zu teilen. Stefan Rötzel und Christian Brinkmann berichteten dabei von den Aktivitäten der Zukunftsinitiative und ihren Projekten im Bereich der Umweltbildung. Geplant ist eine Fortführung des Formats um Idealisten, Weltverbesserer und solche die es werden wollen zusammen zu bringen. 

2. Hessischer Nachhaltigkeitstag 2012

Den Anlass des Hessischen Nachhaltigkeitstages 2012 nutzten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des CLIMA, Kompetenzzentrums für Klimaschutz- und -anpassung der Universität Kassel und Interessierte, um Themen der Nachhaltigen Entwicklung über Fachgrenzen hinweg zu diskutieren. Stefan Rötzel, wissenschaftlicher Mitarbeiter im CLIMA und CESR spielte dazu Filmsequenzen, Auszüge aus Studien und Webseiten ein, an der sich die Diskussion orientierte. Dabei entstanden rhizomartige Themenstränge, die die Komplexität und Vernetzung wesentlicher Faktoren wie Bevölkerungsentwicklung, Tragfähigkeit der Ökosysteme, Landnutzungsänderungen, Wasserverfügbarkeit, Klimawandel, Konsum, Wirtschaftssystem, Lebensstile und rechtlicher Regelungen deutlich machten. 

 

In einem ersten Block wurde die Fragestellung diskutiert, ob die Zusammenhänge von Treibhausgasemissionen, Veränderung der Strahlungsbilanz und den daraus resultierenden Folgen in der Gesellschaft bewusster geworden sind. Dabei wurden historische Filmaufnahmen von Wissenschaftssendungen von 1978 mit heutigen Darstellungen verglichen.  Während sich die Sehgewohnheiten verändert haben und die Formate dynamischer und farbintensiver geworden sind, hat sich an den grundlegenden Aussagen kaum etwas geändert. Seit 30 Jahren werden im Grunde genommen die gleichen Erkenntnisse vermittelt, wenn auch mit anderen Methoden und Darstellungsweisen. 

 

Der Emissionshandel und dessen Systemfehler wurden anschließend thematisiert. Der Kardinalfehler des Systems liege einerseits in der Legitimierung Treibhausgase zu emittieren und nicht in der bewussten Reduktion oder gar dem Verbot der Emissionen. Zudem steht nur die Industrie im Fokus, es würden zu viele Zertifikate verteilt, die Kosten seien zu gering, würden sie steigen, würden Firmen diese auf Kunden umverteilen. Eine Erweiterung des Systems oder zusätzliche Stellschrauben wurden in der Runde kontrovers diskutiert von den "Mindsets" der Unternehmen und Betriebsräte, der Anpassung auf lokale Betriebsstrukturen bis hin zu Anwendungen im privaten Sektor durch Reduktion, Kompensation und Suffizienz. 

 

Nachhaltiges Wirtschaften seien in manchen Unternehmen stark verinnerlicht und Teil der Identität, jedoch seien das Minderheiten im Promille-Bereich. Oft orientierten sich die Unternehmen an den Kundenbedürfnissen, die selbst nicht immer nachhaltig, ressourcenschonend oder energieeffizient seien. Nachhaltige Produkte und Systeme wurden exemplarisch an dem Closed-Loops System eines Kasseler Designbüros diskutiert. Das auf dem Cradle2Cradle-Ansatz basierende Ausstellungssystem wurde in der Runde vorgestellt und Grenzen und Barrieren eruiert. Für ein solches Produkt müsse das System hinter dem Produkt mitgedacht werden. Viele Unternehmen seien jedoch nicht bereit ihre Systeme und interne Abläufe ließen das noch nicht zu. So seien manche Unternehmen zu einem jährlichen Wachstum gezwungen, oder könnten nicht ohne weiteres auf ein Miet- oder Verleihkonzept mit Rücknahme umstellen, wenn sie vorher nach Massenproduktion organisiert waren.

 

Die systemisch besseren Lösungen müssen nicht unbedingt die profitableren sein. Konsumenten sind in ihrer Mündigkeit oft überfordert, alltägliche Einkaufsentscheidungen und langfristiger Wertewandel lassen sicht nicht einfach umstellen. Langsame, schrittweise Veränderungen sind jedoch kaum realisierbar angesichts der zeitlichen Dynamik und der Dringlichkeit einer gesellschaftlichen Transformation, z.B. zur Erreichung des 2°Grad Ziels. Radikalere Ansätze mögen wirkungsvoll sein aber nicht gesellschaftsfähig umsetzbar.  

 

Die These, dass alle Probleme im Grunde genommen ursächlich auf der Bevölkerungsentwicklung beruhen wurde sehr kritisch diskutiert. Komplexe Systeme und Systemdynamiken liessen sich nicht auf einzelne Ursachen reduzieren. Die Frage der Bevölkerungsentwicklung sei verknüpft mit der Lebensweise, dem Ressourcenverbrauch und der Tragfähigkeit der Ökosysteme. Anpassungen der Lebensstile und Suffizienz als Verzicht stehen entgegen der Entscheidungsfreiheit das Leben nach eigenen Vorstellunge zu verwirklichen.   

 

Treiber und Rahmenbedingungen für einen umwelt-, klima- und sozial verträglichen Bewusstseins- und Wertewandel wurden im Abschluss diskutiert entlang der Analogie des Hausbauens. Von den symbolischen Leuchtturmprojekten wie der Öko-Stadt Masdar und dem Pearl-River Tower in China bis hin zu Kasseler Lehmbauten wurde die Mehrwertigkeit der Lebensstile bewusster und damit die vorherigen Kernaussagen etwas relativistischer. 

 

Am Schluss blieb das Resumee´, dass kleinere lokale oder regionale Initiativen, Impulse oder Systemveränderungen, gestützt durch Nachsteuerbarkeit, Lernfähigkeit und Flexibilität wirkungsvolle systemische Effekte haben können. Während der Diskussion entstanden neue Projektideen und Ansätze für Forschungsthemen.

 

gez. Stefan Rötzel - 19.09.2012